Warum Du in einer Partnerschaft mehr davon hast, einen Beziehungs-Konflikt zu verstehen, anstatt ihn zu lösen

Der Beziehungskonflikt als Hinweis auf eine unbewusste Beziehungsdynamik

Konflikte sind ein essentieller Bestandteil zwischenmenschlicher Beziehungen. Jede Paarbeziehung wird angetrieben durch einen unbewussten Konflikt, der in scheinbar alltäglichen Situationen auftaucht und die Beziehungsdynamik prägt.

Dieser unbewusste Konflikt zwischen dem Paar spiegelt unbewusste Konflikte innerhalb der der:des Einzelnen wider. Ein Beispiel:

  • Person 1 und Person 2 haben beide - aufgrund unterschiedlicher biographischer Erfahrungen - Angst vor Vereinnahmung und Abhängigkeit in einer tiefen, intimen Beziehung, aber auch Sehnsucht danach, sich ganz auf eine andere Person einlassen und sich ihr hingeben zu können (unbewusster innerer Konflikt)

  • Person 1 übernimmt die Rolle der anhänglichen Figur und zeigt mitunter ihre Sehnsucht

  • Person 2 übernimmt die Rolle der distanzierten Figur und entzieht sich mehr und mehr der scheinbaren Vereinnahmung

  • Vorteil: Die innere Spannung, die jede:r Einzelne aufgrund des eigenen inneren unbewussten Konfliktes spürt, nimmt ab. Denn nun kann sich jede:r voll und ganz mit einer der Konfliktseiten identifizieren und muss sich nicht mehr hin und hergerissen fühlen.

  • Nachteil: Es entsteht eine Dynamik, in der das Auftreten der einen die Haltung des anderen verstärkt und vice versa.

So wird deutlich: Ist dieser Konflikt noch nicht ausreichend verstanden, wirkt sich dies auf das Beziehungsleben aus. Es kommt zu Verstrickungen, ich will fast sagen: Verstopfungen im System. In schlimmeren Fällen zu eskalierendem Streit, der keine Besserung bringt, Vorwürfen, Rückzug, Verstummen.

Nicht wenige Paare richten sich in einem solchen Zustand ein und akzeptieren ihn. Aus Angst vor Auseinandersetzung - mit ihrem Gegenüber und mit sich selbst.

Dabei sind Konflikte per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Wir brauchen sie, um uns weiter zu entwickeln und über uns selbst hinaus zu wachsen. Als Einzelne ebenso wie miteinander.

Ein Paar, das es schafft, seine Beziehungs-Konflikte für gemeinsames Wachsen zu nutzen, stärkt und vertieft seine Verbindung. Das Vertrauen ineinander wächst. Die positiven Gefühle füreinander erleben nach einem (konfliktreichen) Abschwung wieder Aufschwung.

Hier sind 2 entscheidende Punkte, auf die Du achten solltest, um in Deiner Partnerschaft Konflikte zu nutzen statt zu verdrängen:

1. Konflikte verstehen statt lösen wollen

Es geht nicht darum, eine Lösung für ein Problem zu finden, sondern das ‘Problem’ zu verstehen.

So einige Menschen erhoffen sich von einem Konfliktgespräch eine schnelle, klare Lösung. Einen festen Plan, wie sie als Paar ab sofort mit einer bestimmten Situation umgehen können, damit es - so die unbewusste Phantasie - nie wieder zu Streit kommen wird.

So wichtig es als Paar ist, Kompromisse zu finden und hilfreiche Vereinbarungen zu treffen, mit denen beide besser leben können: So lange die zugrunde liegende Beziehungsdynamik nicht verstanden ist, sind Vereinbarungen nur Pflaster auf einer eiternden Wunde.

Deshalb: Setze Dir als Ziel, deine:n Partner:in und die Dynamik eurer Beziehung zu verstehen, nicht: zu lösen.

Die ‘Lösung’ erwächst wie von selbst aus dem gemeinsamen Verstehen.

2. Das Zwiegespräch: Kompromisse wachsen lassen anstatt willentlich herbei führen zu wollen

Um das Verständnis füreinander zu vertiefen, müssen Gespräche stattfinden, die möglichst offen und wertschätzend geführt werden.

Oberstes Ziel solcher Gespräche sollte sein, das Verständnis füreinander zu vertiefen. Hierfür sind zwei Dinge entscheidend:

  • Die Bereitschaft, sich zu öffnen und Verletzlichkeit zu zeigen

  • Die Bereitschaft, wirklich zuzuhören und mich in mein Gegenüber hinein zu versetzen

Welche Chance liegt in diesen Gesprächen?

  • Dein Gegenüber versteht etwas über Dich, das Dir selbst noch nicht ganz klar ist

  • Du erlebst Mitgefühl an Stellen, wo Du es selbst für Dich noch nicht aufbringen kannst

  • Deine Perspektive auf Konflikte in der Beziehung erweitert sich durch Dein besseres Verständnis dafür, wie Dein:e Partner:in sie erlebt

  • Das gewachsene Verständnis füreinander erweitert Euren Handlungsspielraum in zukünftigen, potentiell konfliktreichen Situationen

Das vertiefte Verständnis für die Beziehungsdynamik bereichert die Paarbeziehung ebenso wie Euer Innenleben. Neue Reflektionsräume und Handlungsspielräume werden möglich. Du selbst und Ihr als Paar bekommt die Chance zu wachsen.

Fazit

Eine schnelle ‘Lösung’ für ein ‘Beziehungsproblem’ ist in Wahrheit ein Verdrängen schwieriger Gefühle, die Angst machen und deren Verarbeitung Kraft kostet. Ist das Aufschieben einer echten, vertieften Auseinandersetzung - miteinander und mit sich selbst.

Kompromisse brauchen Raum und Zeit, um zu wachsen.

Die Relativitätstheorie der Paarbeziehung besagt: Je mehr Raum Ihr Euch für verständnisvolle Paargespräche verschafft, desto mehr bereichernde und erfüllende Zeit erlebt ihr miteinander.

***

PS: Ein Buch mit hilfreichen Ideen dazu, wie Beziehungsdynamiken verstanden und Gespräche geführt werden können, stammt von Michael Lukas Moeller: Die Wahrheit beginnt zu zweit. Es ist schon ein paar Jahrzehnte alt. Falls Du etwas Neueres empfehlen kannst - mit psychodynamischem Ansatz (!) - lass es mich gerne wissen.

PPS: Du möchtest mehr darüber erfahren, wie Du Dein Verständnis für unbewusste Beziehungskonflikte vertiefen kannst? Dann schreibe mir eine Mail und frage ein Einzelcoaching oder eine Psychotherapie an. Mehr Infos findest Du auf meiner Website.

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